Seit es Menschen gibt, gibt es auch Kunst. Und seit es Menschen gibt, gibt es auch Gesellschaft und somit Soziologie. Soziologie versucht mal mehr mal weniger erfolgreich zu erklären, wie eine Gesellschaft funktioniert, wie sie zusammengeschlossen ist, wie und warum sie sich wandelt und legt ihren Fokus vor allem auf soziale Ordnung und soziales Handeln. Das ist leider alles andere als einfach, da eine Gesellschaft so viele Faktoren ausmachen: Kommunikation, Rollenverteilungen, individuelles Fühlen und Denken, Massenbewegungen, Kultur, Sprache, Bindung, Konflikte,…
Kurz und knackig zusammengefasst sind wir aus soziologischer Sicht nichts als kleine Rädchen in einem großen Gesellschaftssystem und drehen uns unterbewusst in seinem Wandel mit. Jede unserer individuellen Handlungen, ganz egal wie persönlich oder privat sie uns auch scheint, ist Teil eines größeren sozialen Phänomens. Du befindest dich in einem Freundeskreis – Rollentheorie. Du streitest dich mit deinem Freund/ deiner Freundin – Konflikttheorie nach Habermas. Du hast in der Schule einmal Scheiße gebaut und bist in deinem Umkreis jetzt das schwarze Schaf – Labeling Approach. Du engagierst dich ehrenamtlich, um Obdachlosen das Leben zu erleichtern – Luhmanns Theorie der Inklusion. Du schleichst dich nachts raus, um einen Zug zu bemalen- Situational Action Theory.
Doch was hat das alles jetzt mit Kunst zu tun?
Kunst ist ebenso ein soziales Phänomen und ein Ausdruck dessen, wie der Künstler in der Gesellschaft steht und wie er sie widerspiegelt. Das heißt nicht, dass jedes Bild in seiner individuellen Form die Gesellschaft abbildet, sondern dass Kunst je nach Epoche, nach kulturellem Hintergrund des Künstlers und seinem Publikum variiert. Um den Kunstprozess im soziologischen Zusammenhang zu verstehen, muss dieser in drei Teile gegliedert werden: Der/die Künstler:in, das Kunstwerk, das Kunstpublikum. All dies sind Aspekte eines eigenen Bereichs der Gesellschaftslehre- der Kunstsoziologie.
Diese beschreibt den Menschen als handelnd (wirtschaftlich, gesellschaftlich, staatlich), denkend (in Entdeckung und Erfindung, Wissenschaft und Technik) und gestaltend (in Kunst, Philosophie und Religion).
Doch um den Rahmen des Blog-Eintrags jetzt nicht zu sprengen, beschäftigen wir uns mit folgender Frage:
Was ist Kunst überhaupt aus soziologischer Perspektive?
In der Kunstsoziologie gilt Kunst als ein Ausdrucks- und Kommunikationsmittel. Der Mensch ist ein Gruppenwesen und sein Mitteilungsbedürfnis eine persönlichkeitsübergreifende Eigenschaft. „Die Menschheit hat nichts Subtileres hervorgebracht als das Zusammenwirken von Hand und Auge […].“ (Herbert Read: Wurzelgrund der Kunst). Das bedeutet, das ästhetische Empfinden des individuellen Künstlers ist geprägt von seinen gesellschaftlichen Eindrücken. Ein Kunstwerk wird von einem bestimmten Publikum, welches ebenfalls in diese Gesellschaft hineingeboren wurde, verstanden und angenommen. Doch konzentrieren wir uns auf die Moderne, müssen wir leider feststellen, dass das Verhältnis des modernen Menschen zur Kunst gestört ist. Wir leben in einer materialistisch geprägten Konsumgesellschaft, d.h. unser Empfinden von Ästhetik ist durch die vermarktete Definition von „Hübsch“ geprägt. Jede blumige Perfümverpackung löst Dopaminfetzen aus unseren Gehirnen. Doch was ist mit Bildern, die psychische Erkrankungen widerspiegeln, Kinderschmiererei, Graffiti…alles was uns schockiert und zur Debatte führt: „Das ist ja gar keine Kunst.“ Dieses Phänomen heißt „Kunstschock“ und spiegelt eine soziologische Kommunikationsstörung wider. Wenn uns ein Kleinkind sein Krikelkrakel zeigt, loben wir es zwar dafür doch wir sehen es nicht als "Kunst". (Kleiner interessanter Fakt am Rande: Es ist wohl Kunst, Kinder bilden nämlich Bewegung ab). Schlicht und einfach durchleben wir einen Kunstschock wenn wir ein Kunstwerk so weit missverstehen, dass es uns überwältigt und wir es somit ablehnen. Wenn wir beim Anblick eines Bildes die Emotion „Ärger“ erfahren, bedeutet das, wir verweigern es, etwas so zu akzeptieren, wie es ist. Unser Gedankensystem lehnt es ab, das Kunstwerk zu deuten. Entweder widerspricht es unseren Werten, die wir ebenfalls nur innerhalb unserer Gesellschaft lernen oder es wendet sich einfach vom Mainstream-Ideal „Schön“ ab, sodass wir es gar nicht erst positiv bewerten können.
Kunst ist mehr als ein Bild bzw. ein Gegenstand. Sie ist ein Ereignis, dessen Schaffung und dessen Kunsterlebnis sie zu einem sozialen Phänomen macht.
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